Prix de l’Arc de Triomphe anno 2018
Bernd Biedermann
Way To Paris, so der Name des 5jährigen Schimmelhengstes, der im 97. Prix de l’Arc de Triomphe startete.
Way to Paris, auf den Weg nach Paris begaben sich zwei Tage zuvor die Teilnehmer der Turf-Tours, die in Köln-Weidenpesch begann.
Während der Busfahrt wurde viel gefachsimpelt und sich auf die Sonntagsrennen vorbereitet. Nach Ankunft im Hochhausviertel Le Défense unweit der Grand Arche (dt. Großer Bogen) wurde in Windeseile das Basislager im Mercure Hotel bezogen.
Als ich auf der Hinfahrt in Belgien auf einem blauen Autobahnschild Waterloo las, war es nur ein Galoppsprung, pardon, Gedankensprung zu Napoleon Bonaparte. Vom kleinen Korsen zum Arc de Triomphe dauerte es etwas länger – konkret: bis zur Stadtrundfahrt am Freitagabend, als unser Busfahrer erklärte, dass Napoleon I. das Bauwerk nach der gewonnenen Schlacht von Austerlitz in Auftrag gegeben hatte. Auf den Pfeilern sind die Schlachten der kaiserlichen Truppen in Stein gemeißelt – nur die siegreichen, versteht sich. Waterloo fehlt, auch Leipzig. Dies erinnert mich an einen Zocker auf der Rennbahn, der nur über die getroffenen Wetten spricht und die Wettnieten schnell vergisst.
Doch nun vom Bauwerk zum Prix. Hätte Napoleon den Triumphbogen nicht bauen lassen, würde das Hauptrennen anders heißen.
Alle Teilnehmer der Bustour waren gespannt auf das neue ParisLongchamp, vor allem auf die Haupttribüne. Das allgemeine Urteil: echt beeindruckend, absolut sehenswert vor allem der freitragende Teil! Im 5-Millionen-Euro-Rennen gab es den erwarteten Sieg der 4jährigen Stute Enable unter Frankie Dettori zum Kurs von 20:10. Damit erlebten die Favoritenwetter wenigstens im Hauptrennen kein Waterloo. Da ich erstmals beim „Arc“ live dabei war, fehlen mir Vergleichsmöglichkeiten. Kenner bestätigten jedoch, dass die Stimmung auf der Bahn beim Monstre-Renntag immer so grandios ist. Besonderen Grund zum Feiern hatten die Engländer, die dies auch lautstark taten.
Begeistert waren die Teilnehmer der Turf-Tours auch vom Rahmenprogramm mit Stadtrundfahrt, Stallbesichtigungen in Chantilly und Maisons Laffitte, sowie der Arc-Auktion in St. Cloud.
Schön, dass auch Zeit für individuelle Unternehmungen blieb. So konnten meine Frau und ich Paris in vollen Zügen (Metro, RER) genießen.
Der Busfahrer von Lambert-Reisen und Patrick Bücheler von der Sport-Welt standen der Reisegruppe jederzeit hilfreich zur Seite.
Mein Fazit der viertägigen Reise:
Es war ein Vergnügen! - C’etait un plaisir!
Übrigens: Der Schimmel Way To Paris passierte im Prix de l’Arc de Triomphe den Zielpfosten als Elfter, blieb damit außerhalb der Geldränge. Trainer und Besitzer könnten sich mit dem Spruch „Der Weg ist das Ziel“ trösten.
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„Das große Aufbäumen“ - Mein Rückblick auf 2013
Bernd Biedermann
„Das große Aufbäumen“
Mitglieder und Freunde des Magdeburger Rennvereins und des Magdeburg-Marathons trafen sich am 12. März 2022 mit Spaten und Schippe zum „Großen Aufbäumen“. Der Hintergrund der Aktion: Im Sommer 2013 stand das Wasser meterhoch auf dem Gelände und schädigte zahlreiche Bäume so stark, dass die Kettensäge angesetzt werden musste. 30 Laubbäume - Eichen, Linden und Espen - wurden an diesem sonnigen Märztag gepflanzt.
Apropos Hochwasser 2013.
Ich kann mich sehr genau an diese dramatischen Tage erinnern.
Mein Rückblick auf 2013
„Schildern Sie uns doch einmal ein Turferlebnis, das Ihnen in dieser Saison so richtig unter die Haut gegangen ist.“
So forderte die Sport-Welt ihre Leser Mitte November 2013 zum Schreiben auf.
Da musste ich nicht lange überlegen, da fiel mir sofort der Film über die Flutkatastrophe auf der Rennbahn im Herrenkrug ein. Der knapp zehnminütige Streifen wurde bei der Dankeschön-Veranstaltung des Magdeburger Renn-Vereins am 1. November uraufgeführt. Es war mucksmäuschenstill im Saal des RAMADA-Hotels, als auf zwei Leinwänden die dramatischen Tage im Juni/Juli noch einmal lebendig wurden.
Die Bilder gingen unter die Haut!
Die zweite Jahrhundertflut, auch Jahrtausendflut genannt,innerhalb von elf Jahren brachte jede Menge Wasser und Schlamm, der Zielrichterturm ähnelte einem Sprungturm und das Schild „Sie möchten wetten? Wir helfen Ihnen!“ wirkte zwischen den aus dem Gebäude geräumten Tischen, Stühlenund Bänken völlig deplatziert.
Unsere Familie hatte schon viele schöne Stunden auf der Rennbahn erlebt, deshalb war es für uns selbstverständlich, beim Aufräumen zu helfen. Meine Frau reinigte die im Totogebäude in der braunen Brühe herumschwimmenden Handkassen, mein Enkel schob pausenlos Wasser aus den Stallboxen, nachdem Mitarbeiter der Fa. Kärcher diese unentgeltlich mit Hochdruck gesäubert hatten.
Ich hatte zum Glück etwas Zeit, denn im Juli begann mein so genannter wohlverdienter Ruhestand. Weil nach der Flut jede helfende Hand gebraucht wurde, kam ein Auf-der-faulen-Haut-Liegen für mich nicht infrage.
Die Filmmusik ging unter die Haut!
Zu den Filmbildern lief „People Help The People“ vonBirdy und Andrés Balhorn. Es war der Song zur Flutkatastrophe 2013, in dem es treffend heißt: „In solchen Zeiten geht es nur gemeinsam ...“.
Vor Ort hörte ich damals eine andere Melodie: Notstromaggregate tuckerten, Mücken surrten und Pumpen spuckten Wasser aus.
Die Mückenstiche gingen unter die Haut!
Für die Einsatzkräfte auf dem weitläufigen Rennbahngelände gehörten Gummistiefel, wasserfeste Arbeitshandschuhe und Insektenschutzmittel zur Standardausrüstung. Selbst in der Mittagspause unterm Tribünendach ließen uns die blutrünstigen Mücken keineRuhe.
Alle Helfer, Mitglieder, Freunde und Sponsoren des Rennvereins einte ein Ziel: Ende September sollten wieder Pferde über den grünen Rasen galoppieren.
Doch leider war die Zeit zu kurz.
Egal, heute ist das Rennbahngelände schöner denn je.
Und wer hätte vor neun Jahren gedacht, dass im Juli 2022 ein Europa-Gruppe-III-Rennen im Herrenkrug stattfinden wird!
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Royal Ascot - ein Waterloo mit glücklichem Ende
Bernd Biedermann
Juni 2001 – eine Woche Urlaub in London.
Es ist die Woche im Juni, in der edle Vollblutpferde auf der ehrwürdigen Bahn von Ascot um Sieg und Platz kämpfen. Das englische Königshaus spielt bei dieser Rennwoche eine große Rolle, deshalb wird aus dem kleinen Ascot das weltbekannte Royal Ascot.
Als turfbegeisterte Familie fuhren meine Frau, unser minderjähriger Sohn und ich an einem sonnigen Freitagvormittag mit dem Vorortzug von London-Waterloo (Waterloo? - hoffentlich kein schlechtes Omen, dachte ich) nach Ascot.
Bereits im Zug viele Damen und Herren in feinem Zwirn. Die Damen trugen Hüte in allen Größen und Formen, die Herren nur vereinzelt Zylinder oder Melone. Dies beruhigte mich etwas, weil ich eine derartige Kopfbedeckung nicht besaß. Obwohl ich sonst auch kein Schlipsträger bin, habe ich für diesen königlichen Tag vorsorglich einen Schlips umgebunden.
Bereits am Bahnhof in Ascot, wurden uns Eintrittskarten angeboten. Da wir noch keine hatten, erkundigten wir uns vorsichtig nach dem Preis. 40 Pfund und mehr pro Karte, lauteten die Antworten.
Anfangs dachten wir noch, dass es sich um Schwarzmarktpreise handelte, bekamen jedoch bald mit, dass dies wohl der normale Preis war. Wir wollten jedoch erst einmal zur Rennbahn, um uns am Haupteingang zu erkundigen. Dort warenjedoch alle Kassen geschlossen, alle Kategorien restlos ausverkauft. Ein Waterloo!
Was nun? Die geforderten Preise hätten unser Urlaubsbudget doch zu stark belastet, zumal eine ermäßigte Karte für unseren Sohn nicht angeboten wurde. Wir beschlossen, uns für eine Stunde mit dem Fluidum außerhalb der Rennbahn zufrieden zu geben. Der Auto- und Fußgängerverkehr auf der Hauptstraße nahm immer mehr zu, die Parkplätze füllten sich und wir sahen sogar Pferde – Polizeipferde! Aber ohnehin sollen die Hüte der mehr oder weniger eleganten Damen an diesen Tagen wichtiger als die rassigen Pferde sein.
In den Pubs und beim Picknick auf den Parkplätzen wurdenfleißig alkoholische Getränke genossen. Einige feingekleidete Damen benahmen sich schon nicht mehr ganz so fein, da der Schampus Wirkung zeigte.
Trotzdem war die vornehme Attitüde eines Royal Ascot spürbar, auch wenn das Königshaus wieder eine Verwahrlosung der Sitten beklagte. The Queen was not amused - vor allem wegen des Drogenkonsums.
Nach einer guten Stunde fuhren wir zurück nach Waterloo.
Für das 4.Rennen der Karte hatte ich mir in der Tagespresseschon eine Siegwette ausgedacht. Deshalb beschlossen wir, nach dem Mittagessen im Londoner Stadtteil Soho einen der zahlreich vorhandenen Buchmacher aufzusuchen.
Rechtzeitig vor dem Start des 4.Rennens, ein Sprint über sechs furlongs (1.200m), füllte ich einen Wettschein aus: 2Pfund Sieg (win) auf die „17“ namens Ellens Academy, einer von drei frischen Siegern in diesem Rennen. Meine Frau schloss sich mit einer 2-Pfund-Siegwette an und entschied sich für die „10“ namens Nice One Clare, da deren irischer Jockey am Vortage drei Rennen in Royal Ascot gewonnen hatte.Ich schrieb beide Wetten auf einen Schein und gab ihn am Schalter ab.
Obwohl in diesem Rennen 30(!) Pferde starteten, gelang es mir, mein Pferd im Rennen zu verfolgen, was bei einem so großen Starterfeld nicht immer leicht ist.
Ellens Academy lag nach dem Öffnen der Boxentüren imMittelfeld und verbesserte in der Zielgerade allmählich die Position.
Etwa 100 Meter vor dem Ziel war mein Pferd in vorderster Linie... es sah sehr gut aus, meine Wette schien erfolgreich zu sein.
Plötzlich wurde meine Frau neben mir munter - ihr Pferd wurde schneller... sie kam - die „10“ - hart innen an den Rails stark auf... und mit tollem Speed an meiner „17“ vorbei.
Spannung pur! Die Reihenfolge im Ziel auf den ersten beiden Plätzen lautete: 10 vor 17!
Leicht verärgert, da meine Siegquote um einiges höher gewesen wäre, sagte ich zu meiner Frau, dass sie ihren Gewinn doch bitte selbst abholen solle, da sie ja gewonnen hat und nicht ich.
Es vergingen 5 Minuten – 10 Minuten – 15 Minuten und meine Frau stand noch immer am Schalter. Ich warf ihr einen fragenden Blick zu, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Erst nach fast 20 Minuten verließ sie den Tresen, mehrere Scheine englischer Pfundnoten in der Hand.
Sie rief mir zu: „Schnell, nichts wie raus hier!“
Hatte sie etwa in die Kasse gegriffen? Eigentlich ist sie doch eine ehrliche Haut?
Auf der Straße angekommen zählten wir erst einmal das Geld. Es waren 160 Pfund! Erwartet hatten wir ca. 10 Pfund für den Sieg von Nice One Clare.
Die Erklärung fand ich nach Studium der Quoten: Die Angestellte hatte lange mit ihrem Kollegen diskutiert, auch noch irgendwo angerufen, vermutlich in der Zentrale und danach zahlte sie aus – die Quote für eine „Zweierwette in beliebiger Reihenfolge“!
In Ascot ein Waterloo erlebt und nun viel Glück beim Buchmacher – da konnten wir im nächstliegenden Pub in aller Ruhe ein paar Guinness genießen.
Übrigens:
Dank Royal Ascot habe ich Gefallen am Schreiben gefunden.Die Macher vom ehemaligen www.turfquiz.de hatten damals zum Schreiben von Turfstorys aufgerufen. Es versteht sich von selbst, dass mein erster Text sehr holprig war, aber es hatte mir Spaß gemacht. Aus diesem Grunde absolvierte ich später einen Kurs „Kreatives Schreiben“ und kann nun etwas besser Turfstorys schreiben.
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Trab in Kiel - Galopp in der Schweiz
Bernd Biedermann
Handelnde Personen:
Lieselotte Breitmeier = Uschi Biedermann, meine Frau
Bruno Breitmeier = Bernd Biedermann, also ich
„Lotte, langsam wach werden, wir sind gleich in Kiel.“
Bruno Breitmeier tippte seiner Frau sanft aufs Knie. Sie war im Intercity aus Magdeburg eingenickt. Ein Lächeln umspielte ihren leicht geöffneten Mund.
„Sicher träumt sie gerade vom Power-Shopping auf der Holstenstraße“, vermutete Bruno.
Es war seine Idee, ein verlängertes Wochenende in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins zu verbringen. Lieselotte konnte es gar nicht fassen, als ihr Mann dies vorschlug. Radeln entlang des Rheins und wetten in Iffezheim, wandern im Harz und zocken in Bad Harzburg, das ist eigentlich Brunos Welt.
Was Lieselotte nicht wissen konnte: Auf der Rennbahn im Magdeburger Herrenkrug wurde Bruno ein Flyer in die Hand gedrückt, mit dem kleine Rennbahnen wie Rastede, Duhnen oder Quakenbrück um Besucher warben. Daher wusste er, dass einmal im Jahr hier im hohen Norden Pferde um die Wette laufen. Kiel ist nicht gerade als Traberhochburg bekannt, tierisch gesehen sind eher Sprotten und die Handballzebras vom THW ein Begriff. Aber an diesem Augustwochenende 1993 sollte getrabt werden.
Das Fernglas, sein treuer Begleiter bei allen Pferderennen, hatte er absichtlich zu Hause gelassen, weil Lieselotte sonst Verdacht geschöpft hätte.
Nun hoffte Bruno, bereits auf dem Kieler Hauptbahnhof einen Hinweis zu finden.
„Mensch Liebling, sieh mal“, würde er sagen, „hier gibt es sogar Pferderennen.“
Er schaute sich nach einem Plakat um, aber es gab keines - weder auf dem Bahnsteig noch in der Bahnhofshalle, auch nicht in der angrenzenden Einkaufspassage.
In der Lokalpresse muss doch ein Vorbericht stehen, fiel ihm ein. Also rein in die Buchhandlung. Bruno hatte die „Kieler Nachrichten“ noch nicht einmal aufgeschlagen, als die Dame hinter der Kasse ihm etwas zurief. Klang wie „erst kaufen, dann lesen“. Entnervt bezahlte Bruno das Zeitungsexemplar.
Doch auch hier: Fehlanzeige!
Seine letzte Hoffnung - die Holstenstraße, eine der ältesten Fußgängerzonen Deutschlands. Bruno, ohnehin nicht der ideale Einkaufspartner, wirkte extrem unkonzentriert. Kein Wunder: Er umkreiste jede Litfaßsäule ein-, zwei-, dreimal, blieb vor jeder Plakatwand stehen, suchte in jedem Schaufenster nach einem Hinweis.
Verdammt! Nichts – absolut nichts!
Mehrmals verlor er dabei seine Frau in der wogenden Menschenmenge aus den Augen. Für den Ernstfall hatten sie sich am späten Nachmittag an der Ostseehalle verabredet. Was wäre, wenn ich sie zufällig einmal nicht wiederfinde und in der Tourist-Info gezielt nachfrage?
Der Gedanke war verlockend! Doch er verwarf ihn sofort wieder.
Seine Lotte allein in einer fremden Stadt? Unmöglich!
Kurz vor 17.00 Uhr war die Holstenstraße geschafft, erledigt, abgehakt.
Loriots bekannte Frage „Ja, wo laufen sie denn?“ war für Bruno Breitmeier nun endgültig beantwortet.
„In Kiel laufen sie jedenfalls nicht. Nicht einmal Seepferdchen in der Förde“, murmelte er halblaut vor sich hin. Passanten sahen ihn verwundert an, tippten sich an die Stirn oder machten den Scheibenwischer.
Doch was war das?
Bruno blieb wie angewurzelt stehen. Er lauschte...
Flotte Marschmusik übertönte den Straßenlärm, lauter und lauter werdend.
„Leide ich an Halluzinationen? Werd’ ich schon meschugge?“
„Achtung, Achtung, erleben Sie am Wochenende spannende Pferderennen auf dem Nordmarksportfeld. Start des ersten Rennens morgen um 17.00 Uhr. Seien Sie dabei!“, dröhnte es aus einem altersschwachen Lautsprecher, oben vom Dach eines Kleintransporters. Es gab keine Zweifel, denn zum Glück hatte es auch seine Frau gehört.
„Bruno, das hast du doch gewusst!“, lachte Lotte, gut gelaunt dank Power-Shopping.
„Aber Liebling“, säuselte er, „dann hätte ich doch mein Fernglas mitgenommen.“
Sie glaubte ihm.
Und es wurde ein sehr schöner Abend. Bei strahlendem Sonnenschein gab es frisch gezapftes Bier und spannende Rennen auf dem saftig grünen Rasen. Sogar Breitmeiers Wetten lagen im grünen Bereich.
Übrigens:
Auf der Radtour rund um den Bodensee anno 2000 las Bruno beim Mittagessen im Hafen von Konstanz im „Südkurier“ vom bevorstehenden Swiss-Derby der Galopper im schweizerischen Frauenfeld. Es war reiner Zufall, denn vom Galopp in der Schweiz hatte Bruno bisher kaum etwas gehört.
Doch diesmal glaubte Lotte ihm nicht - Bruno hatte sein Fernglas im Gepäck!
Natürlich waren Frau und Herr Breitmeier trotzdem beim Schweizer Derby dabei!
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„5“ gewinnt? - Ich fress ’nen Besen
Bernd Biedermann
+++ 25. September 1993 +++ 15.38 Uhr +++
- Galopprennbahn Magdeburg-Herrenkrug -
„Ich fress ’nen Besen, wenn die ‚5’ gewinnt“, sage ich kurz vorm Start des vierten Rennens zu meiner Frau.
Mein Risiko ist verschwindend gering, denn ich weiß natürlich, dass Dionysos, so heißt der vierjährige braune Wallach mit der Startnummer fünf, ein krasser Außenseiter im Hürdenrennen ist. Aber was soll’s, meine liebe Gattin wettet gern ihre Lieblingszahl.
Die sieben Galopper sind jetzt unterwegs.
Nach über 3.000 Metern ist noch immer nicht klar, wer es gewinnen wird. Drei Pferde fliegen fast gleichzeitig über die letzte Hürde und stürmen dem Ziel entgegen. Zu meinem Erstaunen - und Erschrecken - ist auch Dionysos dabei.
Zielfoto!
Die Spannung steigt!
Endlich, nach gefühlten 30 Minuten dröhnt es aus dem Lautsprecher: „Nach Auswertung der Zielfotografie siegte mit Halsvorteil die Nummer … fünf, Dionysos!“
Die Fachzeitung Sport-Welt wird später von einem Paukenschlag am Toto berichten, beträgt doch die Siegquote stolze 874:10!
Kein Wunder, dass meine Frau nun mit der Sonne um die Wette strahlt, kann sie doch 437,-- DM vom Schalter abholen.
Aber auch ich hatte Glück: In der Euphorie über den fetten Gewinn vergisst sie, was ich zum Besen fressen sagte!
Als wir anno 1981 erstmals eine Rennbahn besuchten, natürlich jene im idyllischen Herrenkrug, fanden wir alles verwirrend:
Sieg, Platz, Kleiner Einlauf, Großer Einlauf?
Und was bedeuten die Kilos hinter den Pferdenamen im Rennprogramm?
Doch wir lernten schnell.
Zu jener Zeit waren die meisten Galopper noch volkseigen, wurden die Quoten erst nach dem jeweils folgenden Rennen verkündet und hieß die heutige Fachzeitung „Sport-Welt“ noch „Rennkurier“.
Auf der Fahrt zur Rennbahn hörte ich in der Straßenbahnlinie 6 zwei alten Zockern zu. Beide waren sich einig, dass heute Sumpfhühner gewinnen würden. Ein Domspatz wurde in diesem Zusammenhang immer wieder genannt.
Spatzen, Sumpfhühner? Fehlt nur noch Pegasus, das Pferd mit den Flügeln.
Oder landen heute im Herrenkrug gar die fliegenden Pferde des Deutschrockers Achim Reichel?
Als im Hauptrennen des Tages der vierbeinige Domspatz auf knietiefer Bahn siegte, wusste ich, was im Turfjargon ein Sumpfhuhn ist. Es war ein vielumjubelter Heimsieg, denn der braune Hengst wurde vom Magdeburger Urgestein Inge Rieke vorbereitet. Inge Rieke war übrigens die erste Frau, die in Deutschland Galopper trainieren durfte.
Nach Ende der deutschen Teilung musste der Rennsport in der Elbestadt neu aufgestellt werden. Der Magdeburger Rennverein e.V. von 1906 wurde wiedergegründet.
Vieles war neu, doch die Lieblingszahl meiner Frau änderte sich nicht.
An einem heißen Sommertag sollte ich ihre Wette, natürlich Nr. 5 auf Sieg, abgeben, da sie unseren einjährigen Enkel noch umsatteln, sprich, neue Windeln verpassen musste. Dummerweise machte ich vor der Totokasse noch einen kleinen Schwenk zum benachbarten Führring.
Und was sah ich dort?
Die „5“ schwitzte! Ununterbrochen tropfte Schweiß vom Pferdebauch in den Sand des Führringes.
Ich eilte zur Familie zurück und teilte meiner besseren Hälfte ganz sachlich diesen Fakt mit. Ich schwöre, ich hatte ihr nicht geraten, ein anderes Pferd zu wetten. Trotzdem möchte sie plötzlich auf die „2“ setzen.
Ihr Wunsch war mir Befehl.
Wenn sie doch sonst nur meine Hinweise so prompt beachten würde!
Wer das Rennen gewonnen hat?
Natürlich die „5“ – Siegquote um die 250:10!
Vergessen waren nun all die wertvollen Tipps, von denen meine Familie im Laufe der Jahre profitierte: Ich war der Buhmann!
Aber ich nahm es locker, denn einen Besen fressen, wäre viel schlimmer gewesen.
Beim Lesen dieser Zeilen erinnerte sich meine Frau an den doch sehr gewagten Spruch anno 1993 im Herrenkrug. Mein Argument, dass nach 28 Jahren die Sache verjährt ist, konnte sie nicht widerlegen.
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